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Die Landwirtschaft ist, weltweit betrachtet, für ein Viertel aller Emissionen an Treibhausgasen verantwortlich und damit einer der größten Verursacher des Klimawandels. Gleichzeitig leiden die Landwirte unter dessen Folgen: Extreme Wetterereignisse häufen sich und gefährden die Ernten; wärmeliebende Pflanzenkrankheiten und Schädlinge breiten sich mit den zunehmenden Temperaturen weiter aus. Helfen können den Landwirten Pflanzen, die an diese Bedingungen besser angepasst sind. Etwa Pflanzen, die Dürre und Überschwemmungen besser ertragen oder die widerstandsfähiger gegen Pilze, Viren und Schädlinge sind.
Gentechniker versprechen, mit Verfahren wie Crispr/Cas neue, an den Klimawandel angepasste Pflanzen herzustellen – und das viel schneller als die herkömmliche Züchtung. Sie wollen auch mit Hilfe der Gentechnik den Methanausstoß von Rindern verringern oder vom Klimawandel bedrohte Arten retten. Die Texte auf dieser Seite gehen der Frage nach, ob das funktionieren kann und ob es die Landwirtschaft nachhaltiger macht.
Die Europäische Union hat sich mit ihrer Ernährungsstrategie Farm to Fork verpflichtet, die Landwirtschaft bis 2030 deutlich nachhaltiger zu machen. Dabei sollen neue gentechnische Verfahren (NGT) eine wichtige Rolle spielen. „Erste Ergebnisse haben bereits gezeigt, dass mit neuen Genomtechniken gewonnene Pflanzen das Potenzial haben, zu den Zielen einer widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Agrar- und Lebensmittelproduktion beizutragen“, sagte Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission. Als Beispiele nannte er eine erhöhte Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge, Krankheiten oder die Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren.
Zum Bericht auf Euractiv vom 02.12.2021
Umwelt- und Bioverbände sowie zahlreiche andere Organisationen kritisieren diese gentechnikfreundliche Haltung der EU-Kommission. Sie verweisen auf die mit NGT wie Crispr/Cas verbundenen Risiken und verlangen eine strenge Sicherheitsüberprüfung und Kennzeichnung der mit NGT hergestellten Pflanzen. Die EU-Kommission hingegen hält solche Pflanzen für harmlos und will sie aus dem Gentechnikrecht herausnehmen. Mehr dazu steht im Fallbeispiel Gentechnik deregulieren und auf der Themenseite Crispr/Cas.
Doch das entscheidende Argument der Verbände lautet, dass die Anpassung an den Klimawandel ein viel zu komplexes Problem ist, um es technokratisch per Crispr-Cas zu lösen. Zumal Trockenheit nur ein Aspekt des Problems ist und andere extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen oder Stürme hinzukommen. Dieses Agument betrifft übrigens nicht nur den Klimawandel. Aus Sicht der Verbände sind NGT generell nur eine einseitige Antwort auf die Probleme, welche die intensive Landwirtschaft verursacht. Das Ziel sei es, „den auf Leistung und Ertrag fokussierten Anbau unverändert weitertreiben zu können“, schreibt etwa die Schweizer Allianz Gentechfrei: „Anstatt das Problem an den Wurzeln zu packen, behandelt die Agrarindustrie nur Symptome und fördert eine weitere Intensivierung mit Massentierhaltung und Monokulturen“.
Der Umweltverband BUND schlägt als Lösung deshalb agrarökologische Anbaumethoden vor, die einer an die lokalen Bedingungen angepassten Produktion und einer Landwirtschaft im Einklang mit der Natur Vorrang geben. „Sie sind damit wesentlich besser geeignet, systemische Lösungen des Agrarsektors für die Klimakrise bereit zu stellen“, schreibt der BUND und beruft sich dabei auf die Welternährungsorganisation FAO.
FAO, 2020: The potenial of agroecolocy to build climate-resilient livelihoods and food systems
Der Weltklimarat IPCC veröffentlichte 2019 einen umfangreichen Bericht zum Thema Klima, Landwirtschaft und Ernährung. Darin weise der IPCC „auf die Bedeutung von Genome Editing in Zeiten des Klimawandels hin“ behauptete kurz darauf der Gentechnik-Lobbyverband VBIO.
Tatsächlich ist in dem Bericht kaum von Gentechnik die Rede, in der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger kommt das Wort gar nicht vor. Der IPCC schreibt nur allgemein, dass es bei Pflanzen und Tieren „genetische Verbesserungen“ brauche und Fortschritte in der Pflanzenzüchtung notwendig seien. Eine bestimmte Technik empfehlen die Klimaforscher dabei nicht. „Der Bericht enthält nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Weltklimarat den Einsatz von Crispr/Cas fordert“, schrieb die gentechnikkritische Organisation Testbiotech nach seiner Lektüre. Stattdessen empfiehlt der IPCC Maßnahmen aus der Werkzeugkiste der Agrarökologie wie Humusaufbau oder Agroforstsysteme.
Die Zusammenfassung des IPPC-Berichts auf deutsch
Die Skepsis gegenüber den Versprechungen der Gentechnikkonzerne und ihrer Wissenschaftler speist sich aus den Erfahrungen mit der 'alten' Gentechnik. Als deren erste Pflanzen vor gut 25 Jahren auf den Markt kamen, hieß es ebenfalls, diese Technik würde gegen Hunger und Klimawandel helfen. Tatsächlich entwickelten sich die Erträge nicht anders als bei gentechnikfreien Nutzpflanzen. Auf den Markt kamen vor allem Pflanzen mit Herbizidresistenzen oder solche, die ein Insektengift produzierten. Dürretolerante Pflanzen gab es nur zwei, die beide floppten. Zwei Jahrzehnte des Versagens – die gebrochenen Versprechen der Agro-Gentechnik nannte Greenpeace deshalb seine 2015 erschienene Bilanz.
Die österreichische Umweltorganisation Global 2000 und die IG Saatgut haben recherchiert, welche neuen Gentechnikpflanzen sich zehn Jahre nach der Vorstellung von Crispr/Cas in den Entwicklungspipelines der Unternehmen befinden. Sie fanden drei Pflanzen, die in einzelnen Ländern auf dem Markt sind: herbizidresistenter Raps, Soja mit einem veränderten Ölsäuregehalt und die so genannte GABA-Tomate in Japan. „Unsere Recherche offenbart vollmundige Versprechungen, real findet sich bislang kein einziger Zulassungsantrag für ‘klimafitte’ NGT-Pflanzen” kommentierte Autorin Eva Gelinsky von der IG Saatgut.
Global 2000: Fact-Sheet Neue Gentechnik-Pflanzen: Blick in die Entwicklungspipeline.
Das gemeinsame Forschungszentrum JRC der Europäischen Kommission veröffentlichte im April 2021 einen Bericht über NGT-Pflanzen, an denen Gentechnikkonzerne und Forschungseinrichtungen zu der Zeit arbeiteten. Die EU-Experten identifizierten lediglich 16 Pflanzen, deren Entwicklung in einem „vor-kommerziellen“ Stadium sei und die in den nächsten fünf Jahren auf den Markt kommen könnten. Bei sechs der 16 Pflanzen wurde mit NGT eine Herbizidresistenz erzeugt, bei fünf von ihnen der Gehalt bestimmter Inhaltsstoffe verändert. Nur zwei Pflanzen sollen widerstandsfähiger gegen Krankheiten sein. Dürretolerante Pflanzen waren keine dabei.
Joint Research Center: Current and future market applications of new genomic techniques (19.04.2021)
2007 schlossen sich Monsanto und BASF zusammen, um einen dürretoleranten Gentech-Mais zu entwickeln. 2013 kam die Pflanze mit dem Kürzel MON87460 in den USA auf den Markt. Schon im Vorfeld kritisierten Wissenschaftler, dass die Pflanze nur bescheidene Erträge liefere und dies auch nur bei milden Dürren. Dies würden auch konventionell gezüchtete Sorten schaffen. 2019 lehnte es das südafrikanische Landwirtschaftsministerium ab, MON87460 zuzulassen. In Versuchen hätte der Gentech-Mais unter Wassermangel keine besseren Ergebnisse gezeigt als herkömmliche Maissorten, sagte das Ministerium.
Das argentinische Gentechnik-Unternehmen Bioceres bekam in Argentinien 2020 die Zulassung für seinen dürretoleranten HB4-Weizen. In Feldversuchen soll er nach Firmenangaben bei Trockenheit höhere Erträge geliefert haben. Doch die erste kommerzielle Ernte war ein Flop, wie das britische Portal GMWatch berichtete. Die Erträge lagen 30 Prozent unter dem argentinischen Durchschnitt.
Informationsdienst Gentechnik: Dürre - Gentechnik hält nicht, was sie verspricht (06.06.2012)
Informationsdienst Gentechnik: Südafrika lehnt Gentech-Mais als nutzlos ab (10.10.2019)
Informationsdienst Gentechnik: Dürretolerante Gentech-Pflanzen bringen weniger Ertrag (03.05.2022)
Dass sich Gentechniker schwer tun, dürretolerante Pflanzen herzustellen, hat einen einfachen Grund. Es gibt nicht ein einzelnes Dürre-Gen, dass sich an- oder abschalten lässt. Pflanzen haben unterschiedliche Strategien entwickelt, um mit Trockenheit umzugehen. Diese Strategien werden durch ein ineinandergreifendes Netzwerk genetischer Funktionen reguliert. Wer dabei nur an einem Gen etwas verändert, bringt dieses komplexe System durcheinander und erzielt unerwünschte Reaktionen, wie etwa einen geringen Ertrag. Mit Crispr/Cas lassen sich zwar mehrere Gene gleichzeitig verändern, doch bisher nutzen Wissenschaftler dies vor allem in der Grundlagenforschung. Sie wollen erst einmal verstehen, wie Pflanzen auf Dürre- und anderen Stress reagieren und wie die einzelnen Prozesse ineinandergreifen. Marktfähige stresstolerante Crispr-Pflanzen sind noch lange nicht in Sicht.
Das gilt auch für andere Stressfaktoren wie salzhaltige Böden. Auch diese werden mit dem Klimawandel zunehmen. Denn mit dem Meeresspiegel steigt der Salzgehalt in küstennahen Böden. Zudem müssen mit zunehmender Hitze mehr Flächen bewässert werden, was die Gefahr erhöht, dass die mit dem Wasser mitgeführten Stoffe diese Flächen auf Dauer versalzen.
Katharina Kawall, Fachstelle Gentechnik und Umwelt: Mit den neuen Gentechnikverfahren dem Klimawandel trotzen? (Kritischer Agrarbericht, Januar 2021)
Herkömmliche Pflanzenzüchter arbeiten schon seit Jahrzehnten an stresstoleranten Pflanzen und verbessern diese laufend. Besonders erfolgreich sind dabei Projekte, die Landwirte und deren Erfahrungen in die Züchtung einbinden. So sind in den vergangenen Jahren zahlreiche gentechnikfreie und dürre- oder salztolerante Pflanzen auf den Markt gekommen.
Auf den Philippinen züchten im Netzwerk Masipag Landwirte und Wissenschaftler schon seit mehr als 30 Jahren Reissorten und bauen lokale Saatgutbanken auf. Entstanden sind so mittlerweile 2.000 neue Reislinien, die an Boden und Klima in den jeweiligen Regionen angepasst sind. Ein Beispiel dafür ist der von Landwirt Pepito B. Babasa gezüchtete Reis PBB 401. Er ist trockentolerant, die starken Halme trotzen den Stürmen und selbst wenn sie knicken, liefert die Rispe mit den Reiskörnern noch brauchbare Erträge.
Misereor: Eine Reissorte trotzt der Klimakrise (27.09.2021)
Der Ökolandwirt Marc van Rijsselberghe gründete die Salzfarm Texel auf der gleichnamigen niederländischen Insel und forscht dort seit 2006 mit der Freien Universität Amsterdam an Feldfrüchten, die Salzwasser vertragen. 2015 präsentierten sie eine salztolerante Kartoffel, die seither von Landwirten in Pakistan auf versalzenen Böden angebaut wird.
Informationsdienst Gentechnik: Züchtung: Kartoffeln auch in versalzten Böden (28.04.2015)
„Im Rahmen des 2006 mit 33 Millionen US-Dollar gestarteten Projekts "Dürretoleranter Mais für Afrika" wurden 153 neue Sorten entwickelt, um die Erträge in 13 Ländern zu verbessern. In Feldversuchen erreichten oder übertrafen diese Sorten bei guten Niederschlagsbedingungen die Erträge von kommerziellem Saatgut und brachten bei Trockenheit bis zu 30 % mehr Ertrag.“ Diese Bilanz des Projekts, das 2015 eingestellt wurde, veröffentlichte die Fachzeitschrift Nature 2014.
Bereits jetzt müssen sich Nutzpflanzen gegen zahlreiche Krankheiten und Schädlinge wehren. Mit der Erderwärmung breiten sich wärmeliebende Krankheitserreger wie der Schwarzrost oder Schädlinge wie die Zikade weiter nach Norden aus. Die Zeit sei zu knapp, mit herkömmlicher Pflanzenzucht resistente Sorten zu entwickeln, das gelinge nur mit NGT, behaupten die Befürworter dieser Verfahren. Die bisherigen Erfahrungen zeigen etwas anderes. Eine im Auftrag des Schweizer Bundesamtes für Umwelt erstellte Liste zeigt, dass (Stand Ende 2020) rund 140 verschiedene Projekte in der Forschungspipeline diverser Gentechnik-Unternehmen steckten. 30 davon befassten sich mit Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten, die meisten davon noch im Forschungsstadium. Nur in einem Fall waren schon Feldversuche bekannt. Auch die oben genannnten Berichte über die Forschungspipelines der Gentechnik-Konzerne zeigen, dass gegen Krankheten und Schädlinge resistente Crispr-Pflanzen noch in weiter Ferne sind.
Bundesamt für Umwelt: Neue gentechnische Verfahren: Kommerzialisierungspipeline im Bereich Pflanzenzüchtung und Lizenzvereinbarungen
Auch bei diesen Resistenzen zeigt sich, dass konventionelle Pflanzenzüchter schneller mit Lösungen bei der Hand sind. Gentechniker etwa arbeiten immer noch an Kartoffeln, damit sie resistent gegen Krautfäule werden. Pflanzenzüchter haben bereits mehrere resistente Sorten entwickelt. Ende 2021 stellte das Internationale Kartoffelzentrum in Peru (CIP) seine Sorte Matilde vor. Sie vereinigt in sich Resistenzgene mehrerer Wildsorten der Kartoffel und bietet damit einen umfassenden Schutz. Das CIP hat Matilde und weitere in dem Zuchtprojekt entstandene resistente Linien Züchtern aus anderen Ländern zur Verfügung gestellt.
Infodienst: Neue Kartoffelsorte: resistent gegen Krautfäule und gentechnikfrei (05.11.2021)
Auch Tiere werden von Gentechnikern mit Verweis auf den Klimawandel verändert. So wollen australische Wissenschaftler mit Hilfe von NGT die Bakterienzusammensetzung im Magen von Rindern so ändern, dass diese weniger Methan ausstoßen.
Universität von Adelaide: Study shows potential for reduced methane from cows (05.07.2019)
Das Ziel solcher Versuche ist es, die derzeitige intensive Rinderhaltung beizubehalten. Ökologisch sinnvoller wäre es, den Konsum an Fleisch und Milch zu senken und beides nur noch von Rindern zu beziehen, die ausschließlich mit Gras und nicht mit Getreide ernährt wurden. Dadurch ließe sich der Methanausstoß ebenfalls senken und gleichzeitig die Ernährungssicherheit verbessern, weil keine Lebensmittel mehr verfüttert würden. Zudem gibt es eine gentechnikfreie Möglichkeit, den Methanausstoß von Wiederkäuern deutlich zu senken: Seegras als Zusatz im Futter. Es wird bereits als FutureFeed vermarktet, etwa in Schweden.
Das US-Unternehmen Acceligen hat Rinder so manipuliert, dass sie besonders kurze Haare haben und dadurch weniger hitzeempfindlich sind. Zwar leben erst zwei Kälber mit dieser Eigenschaft; doch die US-Lebensmittelbehörde FDA hat bereits erlaubt, das Fleisch solcher Tiere zu vermarkten.
Infodienst: USA erlauben Crispr-Steaks ohne Kennzeichnung (15.03.2022)
Wissenschaftler aus den USA und Australien wollen das Erbgut riffbildender Korallen so ändern, dass sie saures Wasser und steigende Wassertemperaturen besser vertragen und nicht mehr ausbleichen und absterben. Die EU fördert in ihrem Projekt CoralCare solche Forschungen.
Phillip Cleves et. al.: CRISPR/Cas9-mediated genome editing in a reef-building coral (PNAS, 26.03.2018)
Autor: Leo Frühschütz, Stand: Januar 2024