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Seit einigen Jahren wächst der Hunger in der Welt wieder. Für 2022 schätzte die Welternährungsorganisation FAO die Zahl der Hungernden auf 691 bis 783 Millionen. Hinzu kamen weitere 900 Millionen Menschen, die in schwerer Ernährungsunsicherheit leben, also heute nicht wissen, ob sie morgen zu essen haben. Das Welternährungs-programm rechnet für 2023 mit 345 Millionen Menschen, die akut von Hunger bedroht sind und Hilfe brauchen. Und die Bevölkerung wächst weiter: 2050 werden über neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Gleichzeitig geht die landwirtschaftliche Nutzfläche durch Erosion und wuchernde Städte zurück. Die Folgen des Klimawandels wie Dürren oder Überschwemmungen nehmen zu und verringern die Erträge. Hinzu kommt, dass in der Industrie und Energieversorgung nachwachsende Rohstoffe Kohle und Erdöl ersetzen sollen. Wie also kann genügend Nahrung für diese Menschen produziert werden? Die Gentechnikindustrie verspricht trocken- und krankheitsresistente sowie ertragreichere Pflanzen. Sie sollen den veränderten klimatischen Bedingungen trotzen und so dazu beitragen, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Dabei setzen die Gentechniker ihre Hoffnungen in neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas. Mit ihrer Hilfe sollen neue, verbesserte Pflanzen schneller auf den Markt kommen als durch herkömmliche Züchtung.
Ein typisches Beispiel dieser Argumentation findet sich in diesem Bericht des Fachblatts Topagrar.
Gentechnisch veränderte Pflanzen werden seit 1996 angebaut. Trotz jahrzehntelanger Forschung und ständigen Ankündigungen der Gentechnik-Industrie: Bislang gibt es weltweit keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Markt, mit denen dauerhaft höhere Erträge erzielt werden können. Auch gibt es keine gentechnisch veränderten Pflanzen, die als besonders geeignet scheinen, den Folgen des Klimawandels wie anhaltende Hitze oder Nässe, Stand zu halten. Während es zahlreiche konventionelle, gentechnikfreie Pflanzenzüchtungen gibt, mit denen genau dies erreicht werden kann.
Auch das Versprechen von mehr Nährstoffen haben die Gentechniker bisher nicht eingelöst.So sollte mit dem vor 23 Jahren vorgestellten "Goldenen Reis" der gefährliche Vitamin-A-Mangel in Entwicklungsländern bekämpft werden. Bis heute wird er nur auf den Philippinen auf einigen Versuchsfeldern angebaut, weil das Konzept in der Praxis nicht funktionierte. Mehr Informationen dazu im Fallbeispiel "Goldener Reis"
Die österreichische Umweltorganisation Global 2000 hat recherchiert, an welchen neuen Gentechnik-Pflanzen die Agrogentechnik-Konzerne derzeit arbeiten. Es sind vor allem gängige herbizidresistente Pflanzen. Zudem verschieben sich die angekündigten Termine für die Markteinführung immer wieder nach hinten.
Hinter der Argumenten der Gentechnikbefürworter steckt die Vorstellung, dass es für die Ursachen des Hungers und die Auswirkungen des Klimawandels technische Lösungen geben kann: Die Böden werden trockener, die zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen nehmen ab – also braucht es einen Hightech-Anbau, der unter diesen Bedingungen funktioniert. Die Entwicklungspolitiker mancher Industriestaaten und Stiftungen wie die Bill & Melinda Gates Foundation fördern diesen Ansatz und stecken Milliarden in die Entwicklung neuer Technologien. Den Hungernden nützt dies wenig.
Das bestätigte bereits 2009 der von der Weltbank und zahlreichen UN-Organisationen finanzierte
Weltagrarbericht (siehe rechts). Er weist darauf hin, dass gerade die besonders Bedürftigen am wenigsten Nutzen von der gesteigerten landwirtschaftlichen Produktion haben. Der Weltagrarbericht sagt klar: „Weiter wie bisher ist keine Option“, es brauche eine andere Form der Landwirtschaft: Keine technischen „Wunderpflanzen“ lösten das Problem. Chancen böten vielmehr eine kleinbäuerliche, nachhaltig ausgerichtete Landwirtschaft, die an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepasst ist. Künftig solle vor allem der ländliche Raum gefördert, Infrastrukturen verbessert, regionale Wirtschaftskreisläufe angekurbelt und die regionale Wertschöpfung erhöht werden. Landwirtschaftliche Subventionen in den Industrieländern müssten auf den Prüfstand.
Agrarwissenschaftler, Menschenrechtler, Kleinbauern- und Hilfsorganisationen sind sich weitgehend einig, was es braucht, um den Hunger zu bekämpfen, etwa:
Diese und weitere Maßnahmen finden sich beispielhaft in dem von 50 Organisationen getragenen
Positionspapier Welternährung 2030.
Um die Ernährung weltweit zu sichern, muss die Menschheit ihren stark steigenden Verbrauch an Fleisch und anderen tierischen Lebensmittel herunterfahren. Denn auf 30 Prozent der weltweiten Ackerfläche wachsen keine Nahrungspflanzen für Menschen, sondern Kraftfutter für Tiere, insbesondere Soja und Mais, davon ein großer Teil gentechnisch verändert. Der Fleischkonsum nimmt vor allem in bevölkerungsreichen Schwellenländern wie Indien oder China stetig zu. Die FAO schätzt, dass er sich bis 2050 verdoppeln wird – mit katastrophalen Folgen für die Welternährung und das Klima.
Für die Fachzeitschrift Lancet hat eine internationale Experten-Kommission 2019 berechnet, wie eine Ernährungsweise aussehen müsste, die die Belastungsgrenzen unseres Planeten respektiert und dazu beiträgt, das 1,5 Grad-Klimaziel zu erreichen. Für eine solche Planetary Health Diet müsste der weltweite Verzehr von rotem Fleisch und Zucker gegenüber heute nahezu halbiert und dafür der Verzehr von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten verdoppelt werden. Gleichzeitig müsste die Proteinversorgung durch Fleisch, Milchprodukte und Eier drastisch reduziert und durch pflanzliche Nahrungsmittel ersetzt werden. Damit ließe sich – so die Experten – bis 2050 die steigende Weltbevölkerung trotz schrumpfender Nutzflächen ernähren und das Klimaziel erreichen.
Der Bericht der EAT-Lancet-Kommission
Der WWF-Bericht „So schmeckt Zukunft“
hat die Ergebnisse von EAT-Lancet auf Deutschland übertragen
Die Welternährungsorganisation FAO schätzte 2011 in ihrer Studie Global Food Losses and Food Waste, dass es jährlich weltweit ein Drittel der für den menschlichen Verzehr bestimmten Lebensmittel – etwa 1,3 Milliarden Tonnen –verloren gehen beziehungsweise weggeworfen werden. Der Grund dafür sind die mangelnde Infrastruktur mit fehlenden Transportmitteln und Lagermöglichkeiten in Ländern des Südens, aber auch hohe optische Ansprüche von Handel und Verbrauchern oder zu große Einkaufsmengen.
Autor: Leo Frühschütz, Stand: Januar 2024