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Mit gentechnisch veränderten Tieren wird seit den 1970er Jahren geforscht. Die meisten Forschungsprojekte scheiterten jedoch – aus technischen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Gründen. So kommt es, dass bisher nur ein landwirtschaftliches Nutztier auch außerhalb des Labors gezüchtet wird: ein schnell wachsender Lachs, der seit 2017 in kanadischen Supermärkten angeboten wird.
Gentechnisch veränderte Säugetiere entstanden schon vor den ersten transgenen Pflanzen. Bereits 1974 wurde berichtet, dass es zum ersten Mal gelungen sei, eine Maus gentechnisch zu verändern. In den 1980er Jahren forschten Wissenschaftler*innen dann an Schweinen, die resistent gegen Grippe sein sollten, oder Schafen, die Wolle produzieren sollten, ohne dass sie geschoren werden müssen. Für den Einsatz in der Landwirtschaft eigneten sich die meisten Tiere jedoch nicht. Zum Beispiel entwickelten Wissenschaftler*innen in den 1990er Jahren schneller wachsende Schweine für die Fleischindustrie. Die Schweine wuchsen zwar tatsächlich schneller, litten dabei aber unter so starken Organ- und Gelenkschäden, dass sie für Landwirtschaft ungeeignet waren.
Neue Gentechnikverfahren wie das Genome-Editing bieten den Forscher*innen neue Möglichkeiten. Die neuen Technologien sollen die Forschung einfacher, schneller und kostengünstiger machen, als das mit den alten Techniken möglich war. In aktuellen Projekten wird zum Beispiel an „leistungsfähigeren“ Tieren geforscht, die also mehr Milch oder mehr Fleisch produzieren. So soll beispielsweise die Muskelmasse bei Schweinen, Rindern und Schafen erhöht werden. Die Idee dazu liefert die Rinderrasse „Weißblaue Belgier“, deren Muskeln wegen eines Gen-Defekts so übermäßig wachsen, dass es regelmäßig zu Schwergeburten kommt. Etwa 90 Prozent der Kälber dieser Rinderrasse müssen per Kaiserschnitt entbunden werden. Dieser Gen-Defekt dient jetzt als Vorbild für gentechnische Manipulation von Rindern und Schweinen. Andere Forschungen haben zum Ziel, Tiere so gentechnisch zu verändern, dass sie leichter gehalten werden können. Das soll dadurch erreicht werden, dass sie resistent gegen Viren oder Parasiten gemacht werden oder ihnen keine Hörner mehr wachsen. Auch sollen Tiere kreiert werden, die Milch mit einer anderen Zusammensetzung produzieren, die also zum Beispiel laktosefrei ist oder der menschlichen Muttermilch ähnelt.
Zudem soll Gentechnik auch eingesetzt werden, um Insekten wie Fruchtfliegen, Olivenfliegen und Kohlmotten zu bekämpfen. Dazu werden Gentechnik-Insekten entwickelt, deren Nachkommen nicht überlebensfähig sind. Gene-Drives sollen dafür sorgen, dass sich bestimmte gentechnische Veränderungen, wie eine schnellere Sterblichkeit, möglichst schnell in wildlebenden Populationen ausbreiten. Bei sexueller Reproduktion werden die genetischen Veranlagungen normalerweise nach Mendel in den nachfolgenden Generationen aufgeteilt. Der Gene-Drive-Mechanismus greift so in die natürliche Vererbung ein, dass alle Nachkommen die veränderte Geninformation erben. Ein Anwendungsbeispiel ist die Malariamücke. Gentechniker*innen hoffen, die Mücke und die von ihr übertragenen Krankheiten mit dem Gene-Drive-Mechanismus auszurotten.
Einmal freigelassen, können Gene-Drive-Insekten in der Umwelt überdauern und sich in natürlichen Populationen ausbreiten. Das birgt neuartige Risiken: So können in den nachfolgenden Generationen Eigenschaften auftreten, die nicht beabsichtigt sind. Auch Wechselwirkungen mit der Umwelt können derartige Effekte verursachen. Daher ist die Risikobewertung kaum verlässlich.
Die Entwickler*innen von Gentechnik-Tieren können Patente auf ihre Tiere anmelden. Das bedeutet, dass sie bestimmen können, wer diese Tiere züchten darf und zu welchem Preis. Die Patente haben eine Laufzeit von 20 Jahren, innerhalb dieser sie möglichst gewinnbringend vermarket werden. Mit der Entwicklung neuer Gentechnik-Tiere und deren Patentierung lässt sich somit viel Geld verdienen – daher ist die Forschung vor allem auf das Interesse der industriellen Tierhaltung ausgerichtet. So hat beispielsweise die US-amerikanische Firma Recombinetics ein Patent auf Tiere angemeldet, die mit Gentechnologien wie CRISPR/Cas oder TALEN so verändert wurden, dass ihnen keine Hörner wachsen oder sie widerstandsfähiger gegen Krankheiten sind. Recombinetics forscht auch an Rindern, die sich nicht mehr fortpflanzen können. Die Rinder können also gemästet werden, die Landwirt*innen können sie aber nicht selbst weiterzüchten.
Gentechnik-Tiere bedrohen die gentechnikfreie Tierzüchtung. Würden beispielsweise Gentechnik-Schweine mit Resistenzen gegen die afrikanische Schweinepest vermarktet, müssten möglicherweise ganze Nutztierpopulationen ausgetauscht und durch patentierte Tiere ersetzt werden. Die Gentechnik-Schweine würden zwar nicht erkranken, könnten das Virus aber weiterhin übertragen. Mit den Patenten entstehen außerdem vielfältige neue Abhängigkeiten für Landwirt*innen. Traditionelle Züchter*innen, die es in Europa insbesondere im Bereich der Rinderzucht gibt, würden an den Rand gedrängt. Thementext Patente
Bisher wird in der EU keines der gentechnisch veränderten Nutztiere vermarktet. Anders in Kanada: Dort wurden laut Medienberichten 2017 die ersten Gentechnik-Lachse verkauft. Weil die Gentechnik-Lachse in Kanada nicht als solche gekennzeichnet werden müssen, können die kanadischen Konsument*innen nicht wissen, ob sie gentechnisch veränderten oder normalen Lachs essen. Der ungekennzeichnete Gentechnik-Lachs könnte theoretisch auch in die EU importiert werden. Ohne entsprechende Zulassung wäre das allerdings illegal.
Bald könnten jedoch auch in der EU Zulassungsanträge für den Import oder die Nutzung von gentechnisch veränderten Tieren eingereicht werden. Schon 2012 /2013 veröffentlichte die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA Richtlinien, anhand derer Risiken von gentechnisch veränderten Nutztieren geprüft werden. Der Schwerpunkt der Prüfrichtlinien liegt bei Fischen und Insekten. Es könnte tatsächlich sein, dass nicht Kühe, Schweine oder Schafe die ersten transgenen Tiere sind, die in der EU in der Landwirtschaft zugelassen und genutzt werden, sondern eher die Fische der Firma Aquabounty oder Insekten der Firma Oxitec, die von der US Firma Intrexon aufgekauft wurde. Schon 2013 stellte Oxitec erste Anträge auf experimentelle Freisetzungen gentechnisch veränderter Olivenfliegen in Spanien und Italien.
Die EU-Kommission hat die EFSA 2018 aufgefordert, diese Richtlinien zu überarbeiten und insbesondere die Risiken von Gen-Drives einzubeziehen. Das Ergebnis wird für 2020 erwartet.
Vergleicht man die Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen mit denen von gentechnisch veränderten Tieren, ergeben sich ganz neue Fragen. Das zeigen auch die Prüfrichtlinien der EFSA: Die Behörde räumt in ihren Prüfrichtlinien ein, dass noch erhebliche Wissenslücken und Probleme bestehen, um die Risiken von Gentechnik-Tieren zu bewerten. Die Risiken für Mensch, Tier und Umwelt sind jedenfalls erheblich. Einige Beispiele:
Dazu kommen Zwischenschritte wie das Klonen der Tiere: Im Labor werden in den meisten Fällen zunächst nur Körperzellen (somatische Zellen), die beispielsweise aus der Haut stammen, gentechnisch verändert. Im nächsten Schritt muss dann ein Kern aus diesen Zellen in eine Eizelle verpflanzt werden, um so, nach dem Vorbild des Klon-Schafes „Dolly“, einen entwicklungsfähigen Embryo zu erhalten. Dabei kommt es aber regelmäßig zu Störungen der Gen-Regulation und schweren Krankheitsfällen. Im Durchschnitt werden bei Rindern mehrere hundert Versuche mit Embryonen und Leihmutter-Kühen benötigt, um ein Kalb mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Es erkranken auch viele der Leihmutter-Kühe, zum Beispiel an Störungen der Gebärmutter. Thementext Forschung
Die gentechnische Veränderung von Säugetieren ist ethisch nicht neutral, sondern führt in jedem Fall zu Leiden und Schmerzen. Für die Erzeugung einzelner gentechnisch veränderter Säugetiere müssen hohe Tierverluste in Kauf genommen werden, da viele Tiere aufgrund von Gen-Defekten nicht lebend geboren werden oder aber getötet werden müssen, weil sie krank oder nicht wie erwartet gentechnisch verändert sind. Zudem werden weitere Tiere als Leihmütter, Eizellen- oder Embryonen-Spender genutzt, was ebenfalls mit Leiden und Schmerzen verbunden ist. Bei Nutztieren wie Kühen sind einige Hundert Versuche nötig, um einzelne der „erwünschten“ gentechnisch veränderten Tiere zu erhalten. Dabei werden in der Regel Klon-Verfahren als Zwischenschritte genutzt, die zu hohen Tierverlusten und Krankheitsraten führen. Die „erfolgreich“ gentechnisch veränderten Tiere leiden oft lebenslang an ihren gewollten oder ungewollten Gen-Defekten oder auch an der Produktion von zusätzlichen Stoffwechselprodukten, die ihren Organismus belasten.
Die meisten Forschungen zur landwirtschaftlichen Nutzung von Tieren drehen sich um eine schnellere Produktion von Fleisch (oder Fisch) oder die einfachere und somit kostengünstigere Haltung von Tieren. Es gibt aber auch Forschungsprojekte, in denen Tiere so manipulieren werden sollen, dass sie vollkommen neue Produkte produzieren. Zum Beispiel sollen Kühe Milch produzieren, die als Muttermilchersatz verwendet werden kann. Auch Bienen sind in das Blickfeld der Gentechnik-Forschung geraten: Koreanische Forscher*innen arbeiten daran, Bienen gegen Ackergifte wie Glyphosat resistent zu machen. Einige Beispiele:
Der Lachs der Firma Aquabounty ist das erste gentechnisch veränderte Tier weltweit, das zum Verzehr zugelassen wurde. In den USA darf seit November 2015 der Gentechnik-Lachs vermarktet werden, - allerdings nur Fische, die in Panama aufgezogen wurden. Der Lachs ist so gentechnisch verändert, dass er zusätzliche Wachstumshormone herstellt und deswegen achtmal schneller wächst als normaler Lachs. Wissenschaftler*innen befürchten, dass der transgene Fisch in freie Gewässer entkommen und sich dann, trotz Sicherheitsvorkehrungen, in Wildpopulationen ausbreiten kann.
2013 wurde publiziert, dass sich der Gentechnik-Lachs auch mit wilden Forellen paaren könnte. Dabei kann sein schnelleres Wachstum und seine Körpergröße zu einem Selektionsvorteil werden, der die natürlichen Populationen verändert oder verdrängt. Im schlimmsten Fall könnte dies dazu führen, dass die Wildpopulationen zusammenbrechen. Folgen für ganze Nahrungsnetze sind in diesem Fall zu erwarten.
Forscher*innen der Uni Düsseldorf zeigten 2014, dass eine gentechnische Veränderung von Bienenvölkern möglich ist. Sie manipulierten Bienenköniginnen so, dass sie künstlich verändertes Erbgut mit einer hohen Erfolgsrate an die nächste Generation weitergaben. Nach Ansicht der Forscher*innen könnten so gentechnisch veränderte Bienenvölker gezüchtet werden.
Auch mit neuen Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas wird im Erbgut von Bienen experimentiert: Japanische Forscher*innen wollen die Technologie dazu einsetzen, unterschiedliche Gene von Bienen zu blockieren, um mehr über deren Funktion herauszufinden. Ähnliche Forschungsarbeiten gibt es auch an einer Wespenart, deren Augenfarbe die mit Hilfe von CRISPR/Cas geändert wurde.
2019 erschien eine Publikation, in der darüber berichtet wird, wie mit Hilfe von CRISPR/Cas die Entwicklung von Bienen-Königinnen erforscht und beeinflusst werden kann. Als eine mögliche Anwendung wird die Entwicklung von pestizidresistenten Bienenvölkern genannt. Ebenfalls 2019 erschien tatsächlich eine Publikation über eine Forschungsarbeit in Süd-Korea, in der erstmals Bienen resistent gegen ein Insektizid gemacht werden sollten. Dabei handelt es sich um das bienengiftige Spinosad. Ob der Eingriff erfolgreich war, geht aus der Publikation nicht hervor.
In mehreren Projekten wird versucht, die Milch von Kühen, Ziegen und sogar Kamelen menschenähnlicher zu machen. Die Milch der Tiere soll mit Bestandteilen aus der Muttermilch angereichert werden. Entsprechende Meldungen kommen aus Argentinien, China, Saudi-Arabien und den USA. Diese Idee wird schon länger verfolgt: Bereits die Nachkommen des ersten gentechnisch veränderten Bullen, der 1990 in den Niederlanden geboren und medienwirksam „Bulle Herman“ genannt wurde, sollten diesem Zweck dienen. Ob die Zeit jetzt reif ist für Muttermilchersatz vom Gentechnik-Kamel muss sich erst noch zeigen.
2012 erschien eine Publikation über das Kalb „Daisy“, das als erwachsene Kuh eine Milch produzieren sollte, die weniger allergene Stoffe aufweist. 2014 erschien dazu ein Hintergrundbericht einer Nichtregierungsorganisation, die in Neuseeland Zugang zu den Untersuchungsberichten erlangt hatte. Demnach wurden, um dieses eine Kalb zur Welt zu bringen, hunderte Versuche durchgeführt. Denn die meisten Tiere wurden aufgrund von Gendefekten nicht lebend geboren oder mussten getötet werden, weil sie krank oder nicht wie erwartet gentechnisch verändert waren. Nur ein einziges gentechnisch verändertes Kuh-Kalb wurde geboren, welches tatsächlich Milch mit weniger allergieauslösenden Eiweißstoffen produzieren könnte. Aber auch bei „Daisy“ blieben Gen-Defekte nicht aus: Ihr fehlt aufgrund unerwarteter Nebeneffekte der Schwanz. Auch ihre Organe weisen abnorme Veränderungen auf. Auch die Milch ist in ihren Inhaltsstoffen viel stärker verändert, als beabsichtigt. Die neuseeländischen Gentechniker*innen schreiben, dass diese Milch zwar nicht getrunken werden kann. Aus ihr könnte höchstens Käse hergestellt werden. Mit dem Einzug der Neuen Gentechniken gewinnt die Debatte über Milch von gentechnisch veränderten Tieren neuen Schwung.
Mit Hilfe neuer gentechnischer Verfahren wie CRISPR/Cas sollen Nutztiere mit mehr Muskeln entwickelt Die Rede ist von sogenannten „Doppelmuskeltieren“. In verschiedenen Experimenten mit Schweinen, Kühen, Schafen und Ziegen wurde versucht, das Myostatin-Gen, welches das Muskelwachstum kontrolliert, auszuschalten. Dadurch sollen sich die Muskelzellen unnatürlich stark vermehren können. Bei einigen Tieren in China ist dies bereits gelungen.
Dabei stehen wirtschaftliche Interessen klar im Vordergrund, das Tierwohl wird ausgeklammert. Bei Doppelmuskel-Ferkeln kam es zu erheblichen Problemen: Bei ersten Versuchen in China entstanden aus 900 Embryonen nur acht Ferkel mit den gewünschten gentechnischen Veränderungen. Alle starben in den ersten Monaten. Die Ferkel litten an Gesundheitsproblemen wie verdickten Zungen. Bei weiteren Versuchen wurden nach vielen Versuchen auch scheinbar gesunde Schweine geboren. Aussagen über deren tatsächlichen Gesundheitszustand zu treffen ist jedoch schwierig, weil sie schon früh für weitere Untersuchungen getötet wurden.
Der obenstehende Text basiert auf den folgenden Publikationen. Referenzen zu den einzelnen wissenschaftlichen Studien sind in deren Quellenverzeichnissen aufgelistet.
Then, Christoph (2019): Bienen - Artenschutz durch Gentechnik? Factsheet von Testbiotech
Zuletzt aktualisert: Juli 2019