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Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen können nicht "erfunden" und daher auch nicht patentiert werden. Dieser Grundsatz galt sehr lange. Doch mit dem Einzug der Gentechnologie geriet er ins Wanken: Nach einigem juristischen Hin und Her wurde 1980 in den USA erstmals ein Patent auf Mikroorganismen erteilt (der sogenannte Chakrabarty-Fall). In Europa gilt die Verabschiedung der EU-Richtlinie „Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen“ (98/44 EC) als Wendepunkt. Diese Richtlinie wurde mehr als zehn Jahre im Europäischen Parlament diskutiert und 1998 nach heftigen Debatten verabschiedet. 1999 wurde sie vom Europäischen Patentamt (EPA) übernommen. Sie lässt ausdrücklich Patente auf Pflanzen, Tiere und genetische Ressourcen, bis hin zu Teilen des menschlichen Körpers, zu. Seither sind einige tausend Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere erteilt worden. Mit der Einführung eines Einheitspatents in der EU und eines gesonderten Patentgerichtshofs ab 2014 könnte diese kontroverse Patentvergabe noch weiter zunehmen - während juristische und demokratische Kontrollmöglichkeiten schwinden.
Durch Patente, die vom Saatgut bis zur Ernte reichen, geraten die Landwirte in immer größere Abhängigkeit von großen Konzernen wie Bayer und Monsanto. Mittelständische Züchter werden aufgekauft oder aus dem Markt gedrängt. Darunter leidet die genetische Vielfalt auf dem Acker und auch die Anzahl der Pflanzensorten. Züchtungsziele wie die Anpassung an den Klimawandel oder regionale Bedürfnisse können behindert oder blockiert werden.
Ein Patent reicht über die einzelne Pflanzensorte hinaus. Sie schließt alle Pflanzen mit den patentierten Eigenschaften ein, also etwa ihre Widerstandsfähigkeit gegen bestimmte Ackergifte oder die Fähigkeit selbst Insektengift zu produzieren. Gentechnik-Pflanzen mit einer Resistenz gegen Herbizide sind besonders attraktiv, denn sie ermöglichen den großen Konzernen, das patentierte Saatgut und die Spritzmittel im Doppelpack zu vermarkten.
Hinzu kommt, dass es sich bei den patentierten Pflanzen und Früchten oft um Gewächse handelt, deren Ursprung in den Entwicklungsländern liegt, die dort zum Teil seit Jahrhunderten als Nutzpflanzen angebaut werden. Werden sie patentiert, müssen die Kleinbauern dafür Lizenzen zahlen. Monsanto, Syngenta, BASF und Co. betreiben also nichts Anderes als Biopiraterie.
Patente sind nicht auf das Saatgut und die Pflanzen beschränkt, sondern erstrecken sich in vielen Fällen über die Ernte bis hin zum Lebensmittel. Patentansprüche, die sich über die Ackerpflanze bis zur Margarine und dem Keks, oder vom Schwein bis zum Schnitzel erstrecken können, gefährden die Nahrungssicherheit, da sie wenigen Großkonzernen die Macht über die gesamte Lebensmittelproduktionskette überlassen. Konzerne wie Monsanto und Syngenta haben ein klares Interesse, an der Kasse im Lebensmittelmarkt mitzuverdienen. Die Firma Monsanto hat beispielsweise eine eigene Marke („Beneforte“) gegründet, um patentierten Brokkoli zu vermarkten. Der Sortenschutz beinhaltet nicht das Recht, Lebensmittel zu vermarkten. Er gilt nur für das Saatgut und für eine bereits gezüchtete Sorte. Das Patentrecht hingegen schließt alle Pflanzen oder Tiere mit bestimmten Eigenschaften ein, die in der Zukunft gezüchtet werden könnten.
Ferner ist zu beobachten, dass sich der Saatgutbereich beispiellos konzentriert. Einzelne Konzerne werden dabei immer mächtiger. 2017 entstand der weltgrößte Chemiekonzern mit dem Namen Dow-DuPont, einem Zusammenschluss der Konzerne DuPont und Dow AgroSciences. Außerdem übernahm der chinesische Staatskonzern ChemChina den Schweizer Saatguthersteller Syngenta. Dem Antrag des deutschen Chemieriesen Bayer, die amerikanische Firma Monsanto zu kaufen, hat die EU-Kommission im April 2018 grünes Licht gegeben. Zusammen kontrollieren diese drei Konzerne mehr als 50 Prozent des weltweiten Marktes für kommerziell gehandeltes Saatgut.
Auch neue Gentechnik Verfahren, wie das Gene-Editing (Gen-Chirurgie) tragen dazu bei, dass sich die Branche immer mehr verdichtet. Patentiert werden sowohl die Verfahren , als auch die damit manipulierten Pflanzen und Tiere. Konzerne wie Bayer, Monsanto, BASF, Syngenta und DuPont haben längst Verträge mit den Erfindern der beim Gene-Editing eingesetzten Gen-Scheren vom Broad Institute USA und der Universität von Kalifornien geschlossen, um deren Patente zu nutzen. Für spezielle Anwendungen beantragen die Konzerne dann weitere Patente. Zum Beispiel meldet Dow AgroSciences systematisch Patente auf natürlicherweise vorkommende DNA-Sequenzen im Erbgut von Pflanzen an, die besonders für den Einsatz von sogenannten DNA-Scheren (Nukleasen) geeignet sein sollen. Andere Patentanmeldungen beziehen sich auf Anwendungen wie die Erzeugung von Herbizidresistenzen, verändertes Wachstum, veränderte Inhaltsstoffe oder auch auf bestimmte technische Variationen beim Einsatz der Nukleasen.
In der Tierzucht werden die neuen Verfahren ebenfalls immer häufiger eingesetzt. Genus, einer der größten Zuchtkonzerne landwirtschaftlicher Nutztiere, hat bereits angekündigt, Tiere nutzen zu wollen, die aus Gene-Editing hervorgehen. Er arbeitet dabei mit Firmen wie Recombinetics zusammen, die systematisch Patente auf Schweine und Rinder anmelden.
Patentanträge auf gentechnisch veränderte Tiere sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Konzerne und Investor*innen bereit sind, aus Tierleid ein Geschäft zu machen. Von den Patenten geht ein wirtschaftlicher Anreiz aus und lässt vermuten, dass Tierversuche deutlich ansteigen werden. Erhalten Firmen ein Patent, stehen sie unter dem Druck, es zu vermarkten. Die Laufzeit eines Patents beträgt 20 Jahre. In diesem Zeitraum soll das patentierte „Produkt“ gewinnbringend verwertet werden. Trotz aller ethischer Vorbehalte und einschlägiger Verbote in den Patentgesetzen hat das Europäische Patentamt bereits eine große Anzahl von Patenten auf Gentechnik-Tiere und deren Verwendungen erteilt. Bis 2017 lag sie bei mehr als 1500, die Zahl der registrierten Anmeldungen sogar bei 5000. 2015 hatte das Europäische Patentamt sogar Einsprüche gegen ein Patent auf gentechnisch veränderte Schimpansen zurückgewiesen.
Unter den Patentanmeldern finden sich neben Konzernen wie Hoffmann-La Roche, Pfizer, Novartis oder spezialisierten Firmen wie Recombinetics und Intrexon auch Forschungseinrichtungen, die vom deutschen Steuerzahler finanziert werden: Die Max-Planck-Gesellschaft hält ein Patent auf Primaten, die an Parkinson-ähnlichen Symptomen leiden sollen. Dass im Zusammenhang mit den neuen Gentechnik-Verfahren wieder vermehrt Patente auf gentechnisch veränderte Nutztiere angemeldet wurden, unterstreicht die Sorge nach noch mehr Tierleid . Die Gentechnik-Tiere sollen beispielsweise mehr Milch geben oder schneller wachsen und an die wirtschaftlichen Interessen der industriellen Massentierhaltung angepasst werden.
Da sich das Patent-Geschäftsmodell bei der Gentechnik bewährt hat, versuchen die Konzerne zunehmend, auch für konventionell gezüchtete Tiere und Pflanzen Patentschutz zu erhalten. (Then & Tippe, 2016) Bei der konventionellen Züchtung liegen dem Patent Merkmale wie Wuchs, erhöhter Gehalt natürlicher Inhaltsstoffe oder verbesserte Resistenzen gegenüber Schädlingen zu Grunde. Das EPA hat bereits rund 200 derartiger Patente erteilt.
Doch nach dem Wortlaut der europäischen Patentgesetze dürfen Pflanzen und Tiere, die aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ stammen, das heißt aus einer Züchtung ohne Gentechnik, nicht patentiert werden. Im Juni 2017 hat der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes (EPA), dem die Regierungen der 38 Mitgliedsstaaten angehören, beschlossen, dieses Verbot zu stärken und in Zukunft bestimmte Patente nicht mehr zu erteilen. Gleichzeitig wurden aber neue Schlupflöcher geschaffen, um die Verbote zu umgehen. So geht aus dem Beschluss hervor, dass künftig Patente dann verweigert werden, wenn Pflanzen oder Tiere unmittelbar aus einer klassischen Züchtungsmethode wie Kreuzung und Selektion entstehen. Ist eine bestimmte Eigenschaft schon im Erbgut verankert, die beispielsweise aus zufälligen Mutationen stammt, laufen die Verbote ins Leere. Insgesamt ist in Zukunft damit zu rechnen, dass Patente für konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere zunehmen werden.
Gilt das Patent für eine Pflanze mit einem bestimmten Züchtungsmerkmal, sind alle Pflanzen mit diesem Merkmal automatisch auch durch das Patent geschützt. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob die Pflanze selbst gezüchtet oder gentechnisch verändert wurde. Damit kommt das Patentamt den Wünschen der Industrie entgegen. Sie fordert, dass Pflanzen und Tiere immer dann patentierbar sein sollen, wenn deren genetische Eigenschaften im Detail beschrieben werden, unabhängig davon, wie diese Eigenschaften entstanden sind.
Ein Beispiel für Patente, die auch in Zukunft erlaubt sein sollen, sind Patente der Brauereikonzerne Carlsberg und Heineken. Diese erhielten 2016 Patente auf Gerstenpflanzen, deren Körner nach dem Zufallsprinzip erzeugte Mutationen enthalten. Das Patent umfasst die Gerste, den Vorgang des Bierbrauens und das mit dieser Gerste hergestellte Bier. Gegen die Patente haben zahlreiche Nichtregierungsorganisationen Einspruch eingelegt. Geht es nach dem Beschluss des Verwaltungsrates, werden diese Patente wohl nicht widerrufen werden.
Bisher durften Sorten, die auf dem Markt waren, weiter gezüchtet werden. So ist es im Sortenschutz geregelt. Patentierte Sorten darf ein Züchter hingegen nur dann weiter entwickeln, wenn er einen Vertrag mit dem Patentinhaber schließt. Das Patentrecht geht also weit über den Sortenschutz hinaus, bei dem der Züchter zwar Nachbaugebühren erheben, aber die weitere Züchtung und den Wettbewerb nicht behindern darf.
Die internationale Koalition „Keine Patente auf Saatgut!“ setzt sich gemeinsam mit vielen anderen Organisationen dafür ein, dass Patente auf Pflanzen und Tiere grundsätzlich verboten werden. 2017 wurden mehr als 800.000 Unterschriften am EPA übergeben, 60.000 Personen beteiligten sich an einem Masseneinspruch gegen ein Patent auf Tomaten des Konzerns Syngenta.
Einsprüche waren in vielen Fällen erfolgreich. Auch der Beschluss des Verwaltungsrates des EPA geht ursprünglich auf eine Initiative dieser Organisationen zurück – auch wenn er letztlich nicht weit genug geht. Diese Kontroverse wird also auch in Zukunft andauern.
Zuletzt aktualisiert: November 2018