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Seit Jahrtausenden züchtet die Menschheit Pflanzen (und auch Tiere). Bauern wählten Exemplare von Pflanzen aus, die besonders gut wuchsen, besonders viele oder besonders leckere Früchte trugen. Diese vermehrten sie gezielt und säten sie wieder auf dem Acker aus. Über mehrere Pflanzengenerationen können so die gewünschten Eigenschaften verstärkt werden oder gar neue Sorten entstehen. Die Samen und Körner der Pflanzen, die erneut in die Erde gesteckt werden und so neue Nahrung bringen, nennt man Saatgut.
Seit gut 100 Jahren produzieren spezialisierte Züchter Saatgut und verkaufen es an die Bauern. Inzwischen beherrschen wenige große Saatgutkonzerne das Geschäft und entwickeln neue Pflanzen mit gentechnischen Verfahren. Mit Zucht hat das wenig zu tun – auch wenn die Konzerne behaupten, da gebe es keinen Unterschied.
„Zucht bezeichnet die künstliche Auswahl (künstliche Selektion) und kontrollierte Fortpflanzung von zwei Individuen einer Art, die bestimmte gewünschte Merkmale aufweisen. Damit sollen diese Merkmale verstärkt und unerwünschte unterdrückt werden.“ pflanzenforschung.de
Saatgut kann ein traditionelles und kulturelles Gut sein oder aus dem Labor stammen. Es kann gratis sein bzw. getauscht werden oder aber teuer, lizenziert und eventuell sogar patentiert. Hier erklären wir einige Fachwörter:
Samenfest: Der natürliche Normalfall: Samen/Körner werden geerntet und können im nächsten Jahr wieder ausgesät werden. Dabei bleiben die Pflanzeneigenschaften erhalten.
Nachbau: Fachbegriff dafür, dass Landwirt*innen einen Teil ihrer Ernte behalten und im nächsten Jahr neu aussäen.
Hybrid: Zwei Inzuchtlinien mit bestimmten Eigenschaften werden gekreuzt. Ihre direkten Nachkommen erben nicht nur diese Eigenschaften, sondern bringen auch besonders hohe Erträge (Heterosis-Effekt). Die folgenden Pflanzengenerationen verlieren die gewünschten Eigenschaften wieder. Quasi ein Saatgut mit Kopierschutz, das die Landwirt*innen jedes Jahr neu kaufen müssen. Bei Hybriden steht auf dem Samentütchen "F1".
Sortenschutz: Landwirt*innen, die geschütze Sorten nachbauen, müssen Lizenzgebühren an das Züchtungsunternehmen zahlen. Andere Züchter*innen dürfen jedoch mit diesen Sorten unentgeltlich arbeiten.
Patente: Gibt es für gentechnisch verändertes Saatgut. Landwirt*innen und Züchter*innen, die dieses Saatgut verwenden, brauchen dafür eine Erlaubnis des Herstellers und müssen an ihn Lizenzgebühren zahlen. Saatgutkonzerne versuchen zunehmend, auch Sorten aus herkömmlicher Züchtung patentieren zu lassen.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Pflanzenzüchtung verändert. Die Methoden wurden wissenschaftlicher und spezialisierte Unternehmen übernahmen den Markt. Sie entwickelten Hybridsaatgut, das gute Erträge liefert, aber von den Landwirt*innen jedes Jahr neu gekauft werden muss. Zudem verboten Gesetze die bis dahin übliche Praxis, Samen und Körmer der letzten Ernte zu behalten und neu auszusäen. Die Züchter setzten das Erbgut von Pflanzen aggressiven Chemikalien oder radioaktiver Strahlung aus. So erzeugten sie zufällige Mutationen, von denen manche zu neuen erwünschten Pflanzeneigenschaften führten. Sehr viele neue Sorten beruhen auf diesen Verfahren der ungezielten Mutagenese.
Ende der 80er Jahre begannen Saatgutfirmen, gezielt das Erbgut von Pflanzen zu verändern. 1996 kamen die ersten gentechnisch veränderten Nutzpflanzen auf den Markt. Parallel dazu stiegen die großen Chemiekonzerne in den Saatgutmarkt ein. Heute verkaufen vier Konzerne (Bayer, Corteva, ChemChina/Syngenta, BASF) die Hälfte allen Saatgutes auf der Welt und teilen sich zudem 62 Prozent der weltweiten Umsätze mit Pestiziden. (ETC Group: Foodbarons, 2022) Diese Konzerne setzen stark auf gentechnisch verändertes Saatgut – weil sie es durch Patente exklusiv verwerten können.
Zwischen Züchtung und Gentechnik besteht ein deutlicher Unterschied. Zwar bringen beide neue Pflanzen hervor. Doch die Züchtung folgt den natürlichen Regeln der Evolution und greift nicht direkt in das Erbgut der Pflanzen ein. Die Gentechnik reduziert Pflanzen (und Tiere) auf die Funktion einzelner Gen-Bausteine und überschreitet bei ihren Eingriffen die natürlichen Grenzen. Mit der so genannten alten Gentechnik werden Gene aus den Zellen anderer Pflanzen, Bakterien oder Tiere in die Pflanzenzellen eingefügt. So entstanden etwa Maispflanzen, die ein Bakterien-Gift herstellen, das schädliche Insekten töten soll. Mehrere Pflanzenarten wurden resistent gegen bestimmte Pestizide gemacht. Sie überstehen nun Pestizidduschen, während alles Unkraut abstirbt.
Auch neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas können fremdes Erbgut in eine Zelle einführen. Vor allem aber lässt sich mit dieser neuen Gentechnik das bestehende Erbgut umschreiben. Sie kann Gene abschalten, aktiver machen oder ihre Funktion verändern und greift damit tief in den Stoffwechsel einer Pflanze ein. Befürworter*innen dieser Verfahren behaupten, dass solche Eingriffe harmlose Punktmutationen seien, die auch auf natürlichem Wege, etwa durch UV-Strahlung, entstehen könnten. Die Verfahren seien weniger riskant als die Mutagenese mit Hilfe von Chemikalien oder Strahlung. Beispielhaft zu sehen bei Maithink X im ZDF am 27.3.2022.
Kritiker*innen argumentieren, dass diese Eingriffe die natürlichen Mechanismen von Vererbung und Genregulation aushebeln und zu unerwünschten Nebenwirkungen führen könnten. Zudem könne Crispr/Cas auch in Bereichen des Erbguts eingreifen, die vor natürlichen Mutationen besonders geschützt seien. Beispielhaft nachzulesen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen am 08.11.2022
Die Diskussion über die Unterschiede zwischen neuer Gentechnik und herkömmlicher Züchtung ist gerade besonders aktuell. Denn die EU-Kommission will das Gentechnikrecht zugunsten neuer gentechnischer Verfahren ändern. Crispr-Pflanzen könnten künfitg ohne Risikoüberprüfung auf den Markt kommen.
Fallbeispiel Neues Gentechnikrecht.
Keine Gentechnik ist das so genannte Smart Breeding. Dabei bestimmen die Züchter*innen nach der Befruchtung mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren, ob im Erbgut der neuen Pflanze die für das Züchtungsziel charakteristischen Gene oder Genvarianten vorhanden sind. Durch diese Auslese im Labor statt auf dem Acker lässt sich die Züchtungszeit verkürzen. Das Erbgut der Pflanze wird dabei nur analysiert aber nicht verändert.
Der oben beschriebene züchterische Fortschritt konzentriert sich auf wenige Pflanzen, die in großen Mengen angebaut werden. Dadurch gerieten zahlreiche Pflanzenarten wie Erdbirne oder Zuckerwurzel in Vergessenheit. Gleichzeitig verringert sich bei den einzelnen Nutzpflanzenarten die Vielfalt der Sorten, weil vor allem auf Optik und Ertrag gezüchtet wurde. Allein die Rote Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland umfasst 219 Seiten mit über 3.000 Sorten.
Die Eigenschaften dieser alten, aussterbenden Sorten werden dringend benötigt, um Pflanzen zu züchten, die widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten sind und besser mit den Herausforderungen des Klimawandels umgehen können. Gleiches gilt für die wilden Verwandten unserer Nutzpflanzen, deren Lebensräume oft bedroht sind.
„Werden die Eigenschaften von traditionellem Saatgut und wildwachsenden Verwandten unserer Kulturpflanzen auf neue Pflanzensorten übertragen, können sie den Landwirten helfen, ihre Erträge zu steigern, Grenzertragsflächen nachhaltiger zu bewirtschaften und die Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion zu verbessern.“
Stefan Schmitt, Geschäftsführer der Stiftung Crop Trust, die die Genbank in Spitzbergen betreibt.
Die Befürworter*innen der neuen Gentechnik behaupten, dass sich mit deren Hilfe einfach und schnell Pflanzen herstellen ließen, die an den Klimawandel angepasst seien und dadurch die Welternährung sichern könnten. Siehe dazu die Themenseiten Gentechnik und Klima sowie Hungerbekämpfung.
Doch die Praxis zeigt, dass die herkömmliche Züchtung schneller ist. Sie kann längst Erfolge vorweisen, während die versprochenen klimangepassten Crispr-Pflanzen bisher höchstens im Labor wachsen. Doch die erfolgreiche Züchtung ist in Gefahr. Denn Saatgutkonzerne versuchen, sich wichtige Eigenschaften von Pflanzen durch Patente zu sichern. So hat etwa der Konzern Syngenta eine wilde Paprika aus Jamaika mit einer natürlichen Insektenreistenz in kommerzielle Paprikapflanzen eingekreuzt und beansprucht diese Resistenz als Patent. Die Folge wäre, dass kein Züchter mehr mit dieser wilden Paprika arbeiten dürfte.
No Patents on Seed: Patent auf Paprika nicht widerrufen (Januar 2023)
„Tradition schlägt Gentechnik“ schrieb das Wissenschaftsmagazin Spektrum schon 2016 in einem Artikel über die Züchtung von Pflanzen, die Nährstoffe besser aufnehmen können. Auch wenn es um krankheitsresistente oder dürretolerante Pflanzen geht, liegt die herkömmliche Züchtung vorn. Das liegt daran, dass für einen erfolgreichen Umgang mit Stressfaktoren wie Dürre oder Krankheit zahlreiche Gene einer Pflanze zusammenwirken. Da hilft es wenig, nur ein oder zwei von ihnen zu ändern.
"Die Züchtung auf Trockenheitstoleranz ist keine einfache, sondern eine höchst komplexe Angelegenheit, denn die Stressantwort von Pflanzen ist vielfältig, es sind verschiedene Signalwege daran beteiligt, die beispielsweise über Phytohormone und andere flüchtige organische Komponenten reguliert werden. Dieses Netzwerk muss zunächst einmal im Einzelnen, aber auch gerade in seiner Komplexität verstanden werden."
Hier sind einige Beispiele für erfolgreich ohne Gentechnik gezüchtete und an den Klimawandel angepasste Pflanzen:
Das Internationale Reisforschungsinstitut IRRI und das kenianische Agrarforschungsinstitut KALRO stellten im Januar 2023 eine gemeinsam entwickelte Hochertrags-Reissorte vor, die mit salzigen Böden zurechtkommt. Zuvor hatten beide Organisationen schon zwei Reissorten entwickelt, die besser mit Trockenheit zurechtkommen. IRRI: Salinity-tolerant rice variety set to boost rice yield in stress-prone areas in Kenya 30.01.2023)
Welche Erfolge es darüber hinaus hatte, klimaangepasste Reissorten zu züchten, berichtet das IRRI auf seiner Webseite.
Die philippinische Bauernvereinigung Masipag züchtet seit Jahren mit tradionellen Reissorten. In ihrem Zuchtprogramm hat sie 18 dürretolerante und 12 überschwemmungs-tolerante Sorten. Dazu kommen noch 20 Sorten, die Salzwasser vertragen und 24, die gegen diverse Schädlinge und Krankheiten resistent sind. Masipag: Amidst Crisis, Farmer-Scientist group launch Climate-Resilient Rice Varieties (14.09.2019)
Das IRRI arbeitet übrigens seit 2006 an einem Gentechnik-Reis mit einem erhöhten Gehalt an Beta-Carotin. Dieser sogenannte „Goldene Reis“ geistert seit 24 Jahren durch die Medien als Beispiel dafür, wie hilfreich Gentechnik sei. Doch bisher gibt es nur ein paar Versuchsfelder.
Infodienst: "Goldener Reis" geerntet, Filipinos besorgt (13.12.2022)
Böden versalzen, wenn in trockenen Gebieten viel bewässert wird und dieses Wasser verdunstet. Oder wenn in küstennahen Gebieten das Meerwasser ins Grundwasser dringt. Auf der niederländischen Insel Texel züchtete ein Biobauer zusammen mit Forschenden der Universität Amsterdam eine salztolerante Kartoffel-Sorte. Sie wurde in Pakistan mit großem Erfolg getestet.
Hope for Salt: introducing salt tolerant potato varieties in Pakistan August 30, 2021
Die Kartoffelsorte CIP-Matilde ist resistent gegen die Kraut- und Knollenfäule, die gefährlichste Pilzinfektion bei Kartoffeln. Gezüchtet haben sie das Internationale Kartoffelzentrum in Peru (CIP) und die internationale Organisation Crop Trust. Sie kreuzten dafür resistente Wildformen der Kartoffel mit gängigen peruanischen Sorten. Dadurch enthält CIP-Matilde mehrere Resisenzgene und ist optimal geschützt.
Infodienst: Neue Kartoffelsorte: resistent gegen Krautfäule und gentechnikfrei (05.11.2021)
Forschende der Universität Wageningen in den Niederlanden arbeiten schon seit 2009 an einer resistenten Gentechnik-Kartoffel. Bis heute sind sie über Feldversuche nicht hinausgekommen.
Kleinbäuer*innen in armen Ländern können sich nur wenig oder keinen Dünger leisten. Der internationale Forschungsverbund Cimmyt hat in dem Projekt IMAS (Improved Maize for African Soils) seit 2010 über 20 Maissorten gezüchtet, die auf stickstoffarmen, afrikanischen Böden mehr Ertrag liefern als bisher übliche Sorten. Das Cimmyt-Projekt DTMA (Drought Tolerant Maize for Africa ) entwickelte in nur fünf Jahren 117 trockentolerante Maissorten, die zudem noch gegen weit verbreitete Krankheiten resistent waren.
Zwar beschäftigt sich Cimmyt auch mit gentechnischen Verfahren. Doch gegenüber dem Wissenschaftsmagazin Nature gaben Cimmyt-Foschende schon 2014 zu: „Im Wettlauf um die Entwicklung von Nutzpflanzen, die Trockenheit und schlechten Böden widerstehen können, scheinen altmodische Züchtungstechniken der gentechnischen Veränderung den Rang abzulaufen“.
Bisher gibt es nur einen Gentech-Mais, der als trockentolerant vermarktet wird: die Linie MON87460 von Bayer. Doch deren Nutzen ist umstritten. Infodienst: Südafrika lehnt Gentech-Mais als nutzlos ab (10.10.2019)
Pflanzensorten sind dadurch definiert, dass sie in sich einheitlich und von anderen Sorten deutlich unterscheidbar sind. Doch das bedeutet, dass die Pflanzen einer Sorte auch einheitlich anfällig sind, etwa gegen bestimmte Krankheiten oder Wetterbedingungen. Öko-Pflanzenzüchter*innen haben deshalb begonnen, Sorten einer Art zu mischen und daraus Einzelpflanzen mit bestimmten Eigenschaften zu selektieren. Etwa solche, die besonders gut mit Dürre umgehen können. Populationszüchtung heißt dieses Vorgehen, bei dem Saatgut mit einer größeren genetischen Vielfalt entsteht als bei der üblichen Sortenzüchtung. Durch diese Vielfalt sind die angebauten Pflanzen insgesamt widerstandsfähiger, wie Versuche, etwa mit den Winterweizen-Populationen Brandex und Liocharls zeigten.
Entwicklung und Anbau von standortangepassten Getreidepopulationen in Hessen (Abschlussbericht, 10.09.2021)
Weil sie auf künstlich hergestellte Düngemittel und auf giftige Pestizide verzichten, brauchen Bio-Landwirt*innen Pflanzensorten, die damit umgehen können. Da konventionelle Züchtungsunternehmen solche an den Ökolandbau angepassten Sorten kaum liefern, haben Bio-Unternehmen damit begonnen, passende Pflanzen zu züchten. Daraus sind inzwischen über 100 Sorten entstanden, die mit weniger Nährstoffen und ohne chemischen Pflanzenschutz auskommen und dennoch gute Erträge bringen. Zudem sind alle Sorten aus Bio-Züchtung samenfest und können nachgebaut werden.
Dachverband ökologische Pflanzenzüchtung in Deutschland
Stand: März 2023